Das Sammeln von Informationen ist eine zeitaufwändige Routineaufgabe von Hausärzt(inn)en und wichtiger Bestandteil des Diagnose- und Behandlungsprozesses. Je detaillierter und vollständiger die erhaltenen Informationen sind, desto einfacher kann eine passende Diagnose gestellt und über das weitere Vorgehen entschieden werden. AnCha stellt den Patient(inn)en vor einer Sprechstunde die wichtigsten Anamnese-Fragen und leitet die Antworten an die ärztliche Fachkraft weiter.
Aktuell erfolgt die Informationsbeschaffung direkt während der Sprechstunde. Die ärztliche Fachkraft erfährt erst zu diesem Zeitpunkt, weshalb ein(e) Patient(in) die Praxis aufsucht. Ein mögliches Problem bei diesem Vorgehen ist, dass aus Nervosität oder Angst vor Stigmatisierung wichtige Angaben nicht preisgegeben werden oder die Zeit nicht ausreicht. Aus diesem Grund wird der Chatbot «AnCha», kurz für Anamnese-Chatbot, entwickelt. Er soll bei der Aufnahme von Neupatient(inn)en sowie bei der Erfassung von aktuellen Beschwerden bei bestehenden Patient(inn)en helfen. Durch diese Arbeit soll herausgefunden werden, ob und wie der Chatbot im Praxisumfeld eingesetzt werden kann.
- AnCha wird mithilfe von IBM Watson Assistant entwickelt und auf einer Webseite eingebunden.
- Es wird ein Usability-Test mit neun Personen und eine Pilotphase während zwei Tagen in der Praxis socin22 durchgeführt.
Bei AnCha handelt es sich um einen regelbasierten Chatbot. Bei bestehenden Patient(inn)en fragt er nach den aktuellen Beschwerden. Bei Neupatient(inn)en werden zusätzlich persönliche und soziale Angaben erfragt sowie allgemeine Fragen zur Gesundheit und Prävention gestellt. Die erhobenen Daten werden danach per Mail an die ärztliche Fachkraft gesendet.
Der Usability-Test hat gezeigt, dass je älter die Testperson ist, desto mehr Zeit wird für die Benutzung benötigt. Die Beurteilung der Benutzerfreundlichkeit hängt stark von der Altersgruppe ab. Während Digital Natives die Benutzerfreundlichkeit des Chatbots auf sehr gut einstuften, gaben Digital Seniors an, dass diese grenzwertig sei.
An der Pilotphase nahmen insgesamt neun von 31 Patient(inn)en teil. Die Hauptgründe für eine Nichtteilnahme waren kein Interesse am Projekt, mangelnde technische Kenntnisse oder Sprachbarrieren. Es wurde eine Diskrepanz bezüglich des Zeitpunkts der Nutzung festgestellt. Patient(inn)en möchten den Chatbot vorzugsweise im Wartezimmer oder bei der Anreise nutzen. Die ärztliche Fachkraft bevorzugt eine Nutzung direkt nach der Terminbuchung. Neupatient(inn)en haben den grössten Nutzen, weil die papierbasierten Aufnahmeformulare durch AnCha digitalisiert werden können. Ebenfalls geeignet ist der Chatbot für Patient(inn)en, welche den Termin über das Online-Buchungstool vereinbaren. Diese sind tendenziell jünger und technikaffin, wodurch der Chatbot ohne Hilfe genutzt werden kann.
Für AnCha gibt es diverse Möglichkeiten zur Weiterentwicklung. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz könnte ermöglichen, dass der Gesprächsverlauf variiert oder Behandlungsvorschläge unterbreitet werden. Des Weiteren kann das Einsatzgebiet erweitert werden. Der Chatbot könnte beispielsweise Fragen zu Medikamenten beantworten oder dabei helfen, Bestellungen bei Online-Apotheken aufzugeben.