Die Entwicklung der Architektur stellt den Holzbau vor eine grosse Herausforderung. Die freie Gestaltung von grossen, offenen und flexiblen Räumen wird in der modernen Architektur immer wichtiger. Durch die flexible Raumgestaltung fallen Innenwände, die zur Gebäudeaussteifung hilfreich sind, weg. Die Herausforderung für Ingenieure*innen ist, ein leistungsfähiges Konzept bezüglich der Gebäudeaussteifung zu generieren.
In den meisten Fällen sind in den Aussenwänden Fenster und Türen, sogenannte Öffnungen, angeordnet. Beim heutigen Stand des Wissens sind Wandscheiben mit Öffnungen als aussteifende Elemente kritisch zu betrachten. Denn gemäss gültiger Holzbau-Normen sind nur die Randsegmente zur Scheibenbildung zugelassen. Das Mittelsegment muss rechnerisch vernachlässigt werden. Grund für diese Betrachtungsweise von Wandscheiben mit Öffnungen ist das fehlende Wissen, wie sich die Kräfte im Mittelsegment verhalten.
Ein Kooperationsprojekt aus Forschung und Wirtschaft soll in der Thematik Wandscheiben mit Öffnungen zur horizontalen Aussteifung Klarheit schaffen. Es wird untersucht, wie ein mögliches Bemessungsverfahren entwickelt werden kann, um Wandscheiben mit Öffnungen als vollständig tragend zu betrachten.
Im Vorfeld wird durch eine FE-Modellierung der Einfluss der Öffnungsdimensionen analysiert. Um eine realistische Basisdimension zu bestimmen, wurden einige in der Praxis realisierte Projekte untersucht und deren Öffnungen vermessen. Anschliessend wurde ein Basis-Modell, mit der ermittelten Basisdimension in einem FEM-Statikprogramm modelliert und berechnet. Basierend auf diesem Modell wurden sieben weitere Wandscheibenvarianten mit unterschiedlichen Öffnungsdimensionen untersucht. Durch eine Bemessung mittels Excel-Tool konnte der effektive Tragwiderstand jeder einzelner Wandscheibenvariante ermittelt werden. Damit die Varianten vergleichbar werden, wurde ein Klammerversagen erzwungen.
Die Ergebnisse fielen im Wesentlichen so aus, wie sie erwartet wurden. Der Tragwiderstand einer Wandscheibe mit Öffnung nimmt mit zunehmender Öffnungsdimension ab. Dennoch zeigte sich, dass eine Wandscheibe mit Öffnung, die vollständig als tragend betrachtet wird, in den meisten Fällen effizienter gegenüber einer segmentierten Variante ist. Die Verankerungskräfte einer vollständig wirkenden Wandscheibe mit Öffnung können in der Anzahl und in der Grösse reduziert werden.
Die erarbeiteten Erkenntnisse und die Methodik zur Modellierung einer Wandscheibe mit Öffnung können in das weiterführende Forschungsprojekt eingebunden und weiterentwickelt werden. Um das Verhalten einer Wandscheibe mit Öffnung genauer zu verstehen, müssen noch weitere Wandscheibendimensionen, basierend auf den sieben Wandscheibenvarianten, modelliert und untersucht werden.